

Die Apfelernte wird verladen (ca. 1935). Das "alte Land" westlich von Hamburg ist bis heute für seinen Obstanbau bekannt. Friedrich Hülsmann fotografierte mehrmals während der Ernte, die üblicherweise im Spätsommer/Frühherbst stattfindet. Die Atmosphäre dieser Aufnahme ist geprägt vom warmem Licht der bereits niedrig stehenden Nachmittagssonne; im Mittelpunkt der fotografischen Aufmerksamkeit steht die Rückenansicht eines Mannes mit weißer Schürze, die sein breites Kreuz betont. Kleidung und gepflegter Haarschnitt lassen vermuten, dass der Mann eher zur Gruppe der Endabnehmer gehört als zu den Erntehelfern, die er breitbeinig beobachtet. Die süße Fracht wurde in einer Vielzahl von Körben mit einem Lastkahn herangefahren und auf einem Steg am Ufer abgestellt. Von dort erfolgt der Weitertransport mit Pferdefuhrwerken. Hierbei sind weitere junge Männer und Burschen behilflich, von denen mindestens einer die Uniform der Hitlerjugend trägt: diese versammelte und indoktrinierte während des "Dritten Reichs" Heranwachsende bis zum Alter von 18 Jahren. Seit 1935 bestand überdies eine Verpflichtung, am Reichsarbeitsdienst teilzunehmen – möglicherweise der organisatorische Rahmen für das Engagement für Aktivitäten in der Landwirtschaft. Eine eigentümliche Figur gibt der Junge im Straßenanzug ab, der sich auf dem Steg an einen der Obstkorbstapel lehnt. Er schaut mit etwas törichtem Gesichtsausdruck zum Fotografen, den er offenbar als einziger entdeckt hat...


Wagenräder in der Sonne: Neue Sachlichkeit trifft altes Handwerk. Vor dem Haus eines Wagenschmieds stehen Räder für Fuhrwerke und Beschlagringe in allen möglichen Größen an die Mauer gelehnt. Sie künden noch vom Alten Land als einer seinerzeit noch weitgehend autofreien Region. Die kontrastreiche Aufnahme im hellen Licht der Mittagssonne gehört zu Hülsmanns eher wenigen Fotografien im objekttreuen Stil der "Neuen Sachlichkeit".


Blick auf den Rheinsberger See (eigentlich Grienericksee) vom Orangeriepavillon aus aufgenommen. Möglicherweise bereiste Friedrich Hülsmann Sehenswürdigkeiten im Umland von Berlin anlässlich seiner beruflichen Aktivitäten für landwirtschaftliche Messen, auf denen er die Hansa-Mühle repräsentiert.
Die Schlösser Rheinsberg und Sanssouci markieren wichtige Stationen im Lebens des Preußenkönigs Friedrichs II. Als frisch vermählter Kronprinz verbrachte er eine unbeschwerte Zeit in Rheinsberg, das er später an seinen jüngeren Bruder Heinrich abtreten musste. Besondere Popularität erlangte Rheinsberg seit 1912 durch die gleichnamige Erzählung von Kurt Tucholsky mit dem Untertitel „Ein Bilderbuch für Verliebte“.
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Einblick in die weihnachtlich geschmückte Wohnung im Possmoorweg: echte Kerzen und Mistelzweige lassen keinen Zweifel daran, welches Fest in den Tagen der Aufnahme gefeiert wird. Besonders bemerkenswert ist, wie das Sammlerehepaar ein Rocaille-Ornament aus dem 18. Jahrhundert zum Kerzenhalter umfunktioniert – fast schon etwas respektlos, wenn man die Akribie berücksichtigt, die der künftige Kunst- und Antiquitätenhändler im aufbewahrenden Umgang mit historischen Objekten pflegte. Auf einer anderen Fotografie musste der ansonsten zweckfreie Gegenstand auch schon für eine spaßige Inszenierung herhalten. Die zierlichen Stilmöbel verleihen der Wohnung einen gutbürgerlichen Charme, der durch die simpel karierte Stoffgardine etwas gebrochen wird – und vollends durch die seinerzeit hochmoderne Architektur des von Karl Schneider entworfenen Wohnkomplexes. Auch das Telefon stört etwas den historistischen Gesamteindruck. Hülsmanns waren damals unter dem Hamburger Anschluss 521051 N.38 zu erreichen.


Gertrud Hülsmann an Bord eines Schiffes, vielleicht auf der Überfahrt nach England im Spätsommer 1933. Der starke Wind weht ihr den Rock zwischen die Beine, lüftet ihre Jacke und reißt ihr fast eine Zeitung aus den Händen, die sie gerade zu bändigen versucht. Der wirbelnde Saum und das flatternde Nachrichtenblatt lassen die leicht unscharfe Aufnahme mit Gertrud im Zentrum sehr dynamisch wirken.


In der Erfurter Waagegasse fotografiert Friedrich Hülsmann einen kleinen Jungen mit zerbeulter, hochgerutschter Trägerhose. Er hält beide Hände vor die Stirn und wendet den Kopf etwas ab, der Mund ist geöffnet. Blendet ihn die Sonne? Der kurze Schatten lässt vermuten, dass sie hoch steht, die Aufnahme ist also vermutlich um die Mittagszeit entstanden. Wahrscheinlich ist deshalb auch so wenig los in der verwinkelten Waagegasse. Mit ihren Speichergebäuden aus dem 16. und 17. Jahrhundert gehört sie heute zu den noch erhaltenen historischen Sehenswürdigkeiten der Stadt.
Warum wirkt der Junge so verzweifelt? Hat er eine Beule am Kopf oder ist er einfach nur müde? Haben die anderen Kinder nicht mit ihm spielen wollen? Hat seine Mutter ihn stehen lassen? Verlor er seinen liebsten Teddybär? Wollte ihm niemand ein Eis kaufen?
Ein weiteres Beispiel für das Geschick Friedrich Hülsmanns, Kinder zu fotografieren, ohne dass sie es zu bemerken scheinen.


Taufengel in der Schlosskirche zu Ahrensburg. Unter Peter Rantzau wurde um 1595 parallel zum Schloss die Kirche mit angrenzenden Gottesbuden (Wohnstätten für Bedürftige) errichtet. Die Decke ist als Himmelsgewölbe blau ausgemalt und mit vergoldeten Sternen versehen; von ihr hängt ein gleichfalls vergoldeter Engel herab, der eine Taufschüssel trägt; mithilfe eines Mechanismus konnte das Figurenensemble im Bedarfsfall weiter abgesenkt werden. Der Engel stammt wahrscheinlich aus der Zeit der Barockisierung der Schlosskirche (um 1715) unter Detlev Rantzau. Hülsmann fotografiert den Engel von mindestens zwei Standpunkten aus. Die Dynamisierung der Skulptur durch das flatternde Gewand kommt in dieser Variante besonders gut zur Geltung.


Blick in das Gestänge des Berliner Funkturms, der 1926 in seiner Doppelfunktion als Sende- und Aussichtsturm auf dem Messegelände errichtet wurde. Die Aufnahme zeigt das Können Friedrich Hülsmanns als Fotograf am Umschlagpunkt vom Neuen Sehen zur Neuen Sachlichkeit. "Technische Schönheit" (1929) oder "Das Werk. Technische Lichtbildstudien" in der preisgünstigen Reihe der "Blauen Bücher" (1931) popularisierten den Blick auf Nutzarchitekturen und ihren ästhetischen Reiz.


Porträt einer Dame in skandinavischem Trachtenensemble. Hülsmann bittet die bisher nicht identifizierte Frau mindestens zweimal vor die Kamera. Sie trägt eine weiße Bluse mit gebauschten Ärmeln, eine Miederweste und einen Rock mit bedruckter Schürze. Die Beschäftigung mit Volkstrachten gehörte zu den Interessensgebieten des Bundes Heimatschutz, war allerdings auch ein beliebtes Thema für Diskussionen rund um eine "deutsche Mode" während des NS-Regimes. Hülsmann selbst besaß einige traditionell bedruckte Stoffstücke, die er auch fotografierte.


Drei bisher nicht identifizierte Erwachsene am Kamin der Wohnung Possmoorweg: sie haben es sich bäuchlings vor der aus Ziegeln gemauerten Feuerstelle „bequem“ gemacht und blicken versonnen in die Flammen, als beschäftigten sie sich – jeder für sich – mit der etwas bangen Frage, was die Zukunft im nationalsozialistischen Deutschland wohl bringen mag: in Anbetracht der Zeitläufte erscheint die winterliche Aufnahme schicksalhaft aufgeladen. Die Trinkschalen aus einfachem chinesischen Porzellan sind bereits geleert, billige Alltagsvarianten der kostbaren Koppchen, die Hülsmanns in ihrer Sammlung verwahrten.


Sommerliche Aufnahme, wahrscheinlich ca. 1934; Gertrud Hülsmann kämmt ihre Haare mit Hilfe eines kleinen Taschenspiegels, ihre Haut ist von der Sonne gebräunt. An der rechten Hand trägt sie den gleichen Partnerring mit den Initialien H(ülsmann) und S(chlüter) wie ihr Mann


Thomas Mann bezeichnete das Reisen mit der Bahn als "behagensmindernd", leidgeprüfte DB-Nutzer:innen von heute würden ihm zweifellos zustimmen. Diese Abteilgenossen sehen allerdings ganz zufrieden aus. Links sitzen zwei junge Männer, die in ein fast intim wirkendes Gespräch versenkt sind, wobei sie einander tief in die Augen blicken; der rechte trägt die seit 1919 übliche Uniform der Reichswehr mit Doppellitze auf dem Kragenspiegel und eine Uhr mit metallisch glänzendem Armband. Ihnen gegenüber sitzen ein weiterer junger Mann und ein älterer Herr, der in einer Zeitung blättert und sein massiges Kinn Richtung Brust stemmt. Auf dem Tisch steht das Geschirr der Mitropa (=Mitteleuropäische Schlafwagen- und Speisewagen-Aktien-Gesellschaft); der Ausblick aus dem Fenster lässt eine flache Landschaft vorüberziehen. Da die Mitropa-Wagen u.a. auf der Strecke Berlin-London (bzw. Hoek van Holland) verkehrten, könnte es sich um die Anreise der Hülsmanns für ihre Kanalüberquerung nach England im August 1933 handeln.


Rast im Schwarzwald. Wahrscheinlich auf der Weiterfahrt an den Bodensee legten Hülsmanns eine Pause in der Pension Neuhof in Münstertal ein. Frau Hülsmann macht sich gerade am Kofferraum eines Autos zu schaffen – allerdings nicht am eigenen (dahinter parkenden) Wagen, denn das Provinzkennzeichen verweist auf den Neckarkreis. Das Gasthaus liegt, umgeben von Hügeln und inzwischen umgebaut, in einem heutigen Skigebiet. An der Eingangstür wird für Forellen und Coca Cola geworben. Auch während des "Dritten Reiches" gehörte dieses amerikanische, für den deutschen Markt in Essen abgefüllte Getränk zu den umsatzstarken Favoriten, es unterstützte die Olympischen Spiele von 1936 und belieferte die Reichsparteitage der NSDAP. Keineswegs aus politisch-ideologischen Gründen, sondern aufgrund von Rohstoffknappheit wurde die Limonade ab 1940 von der in Deutschland entwickelten "Fanta" vom Markt gedrängt.


Bei einem der zahlreichen Ausflüge ins westlich von Hamburg gelegene Alte Land entdeckt Friedrich Hülsmann dieses Zeltlager am Elbstrand. Vermutlich ist es nicht das Zelt der Eheleute, die mit dem Auto bequem am selben Tag nach Hamburg zurückfahren konnten. Allerdings gehörte Hülsmann als Heranwachsender den "Wandervögeln" an, einer im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts weit verbreiteten, überwiegend bürgerlichen Jugendbewegung: Mitglieder beiderlei Geschlechters übten sich bei gemeinsamen Ausflügen in die Natur im achtsamen Umgang miteinander sowie im Respekt vor der vielgestaltigen Schöpfung und in der Gestaltung eines einfachen Lebens. So könnte das Zelt bei Hülsmann nostalgische Erinnerungen geweckt haben.


Gertrud Hülsmann und ein Freund ihres Mannes waten selbstvergessen in hochgeschürzter Kleidung durch einen Flusslauf, wahrscheinlich im Alten Land. Die Aufnahme berührt durch die geschwisterliche Vertrautheit der beiden Dargestellten und die sommerliche Entspanntheit der unaufgeregten Landschaft. Die Sonne zeichnet feine Lichtspiele auf der Wasseroberfläche.