

Räumboote der Reichsmarine, ca. 1933. Adrett aufgereiht sehen sie auf den ersten Blick eher harmlos aus: schlanke Schiffe, die in der Sonne ankern, bemannt mit weißgekleideten Matrosen in sommerlich kurzen Hosen. Bei näherem Hinsehen erkennt man die Beflaggung der Reichsmarine und auf den Seiten der Führerkabinen das Adleremblem mit Hakenkreuz. War die kaiserliche Marine noch das "Lieblingsspielzeug" Wilhelms II. gewesen, hatte sie nach dem unrühmlichen Ende des Ersten Weltkriegs dramatisch an Ansehen eingebüßt. Durch die Auflagen des Versailler Vertrags stark eingeschränkt, erfolgte die Wiederaufrüstung zunächst heimlich, schließlich aber ganz unverhohlen: 1935 wurde die "Reichsmarine" in "Kriegsmarine" umbenannt. Räumboote werden zum Minensuchen an Küsten und in Häfen eingesetzt; der abgebildete Typ der Serie R 1-R 16 war zwischen 1932 und 1934 Einsatz (Freundlicher Hinweis an Thorsten Reich, Historisches Marinearchiv).
Friedrich Hülsmann, der in einer Hafenstadt lebte, interessierte sich für alle möglichen Arten von Schiffen und fotografierte sie häufig – in unterschiedlichen Stilen. Die Aufnahme der Räumboote folgt den Prinzipien der „Neuen Sachlichkeit“, deren Ziel u.a. die „ästhetische Beherrschung einer durch Industrie und Technik veränderten Lebenswirklichkeit“ war. (Herbert Molderings, Überlegungen zur Fotografie der Neuen Sachlichkeit und des Bauhauses)


Der Sonnenschirm. Wahrscheinlich an einem der deutschen Ostseestrände, die von Hamburg aus gut zu erreichen waren, fotografiert Hülsmann die Rückansicht einer jungen Frau in weiter Strandhose und mit blumengemustertem Sonnenschirm. Die auffällige Platzierung dieses Accessoires lässt an eine Modefotografie denken, die ihrerseits von einem japanischen Farbholzschnitt inspiriert sein könnte: Damen mit Sonnenschirmen waren ein beliebtes Motiv dieser graphischen Kunst, die großen Einfluss auf Jugendstil und Art Déco ausgeübt hatte. Zum Schnappschuss allerdings lässt ein von links her ins Bild stapfender Herr die Aufnahme werden; am unteren Rand ist der Kopf des Fotografen als Schatten ins Bild geraten.


Wie gemalt! Fast wie ein niederländisches Landschaftsbild mutet die Komposition an, die Friedrich Hülsmann um 1935 auf das Negativmaterial bannt: vor einer Horizontlinie in der oberen Bildhälfte erscheinen einzelne Gehöfte mit rahmendem Buschwerk; im Bildvordergrund schlängeln sich Wasserläufe, in denen gebündelte Flachsgarben zur weiteren Verarbeitung bereitstehen. Dazwischen wandeln ungestört einige Kühe umher. Neben Obst war Flachs ein Hauptprodukt des alten Landes, das u.a. vom Borsteler Hafen aus bis nach Hamburg verschifft wurde. Dieser Flachs wurde gar an "Stärke und Feinheit [...] dem Lüneburgischen vorgezogen, wiewohl er keinen so weissen Faden gibt", wie Philipp Andreas Nemnich (1764-1822) um 1800 berichtete.


Haus der Schlosser-Meisters Otto Königshagen in Buxtehude.
"Gusseiserne Nasenschilder finde ich total interessant." Vermutlich kein Satz, mit dem man heutzutage auf Parties punkten könnte. Ob Friedrich Hülsmanns Fotosammlung verschiedenster schnörkeliger Handwerksarbeiten wohl damals für Begeisterung sorgte? Oder war es schon zu seiner Zeit eine eher außergewöhnliche Faszination?
Auf dem Bild sehen wir die Schlosserei von Otto Königshagen in Buxtehude mit einem geschwungenen Laden- bzw. Werbeausleger über der Tür. Besonders auf den Reisen durch deutsche Städte dokumentierte Friedrich Hülsmann etliche dieser eindrucksvollen Schmiedearbeiten. (Text: Marleen Bönhoff)
Das Haus, das damals die Nummer 163 trug, steht heute noch in der Moortorstraße – inzwischen mit der Nummer 8.


Gertrud Hülsmann während eines von drei Urlauben, die das Paar in Dänemark verbrachte. Dass es sich um den Sommer 1936 handeln muss, geht aus der (sozial)demokratischen dänischen Zeitschrift hervor: abgebildet ist dort das Luftschiff "Hindenburg", das zwischen Mai 1936 und März 1937 über den Atlantik flog. Weiterhin ist von "polnischen Anforderungen an Danzig" und "Unruhen in England" die Rede (Übersetzung: Christina Schiefer). Die Aufnahme offenbart viel von der weltoffenen Gesinnung des Paares: die "neue Frau" sollte eigentlich in der nationalsozialistischen Ideologie durch das Leitbild der "deutschen Mutter" abgelöst werden, die Niveacreme wurde seit 1933 als "jüdisches" Produkt verfemt. Gertrud Hülsmann schützt sich vor der Sonne durch einen großen Strohhut, der schulterfreie Sommerdress offenbart ihre sportliche Statur. Gerade wiegt sie sich im Takt der Musik, die sie auf ihrem Akkordeon der Magdeburger Fa. Buttstädt hervorbringt. Da ihre Armbanduhr beim Spiel stören würde – das Akkordeon hat auf der linken Seite einen Haltegurt – trägt Frau Hülsmann sie am rechten Handgelenk.


Unbekannte/r Fotograf/in, Friedrich Hülsmann in seinem Büro der Hansa Mühle AG, ca. 1934. Hülsmann sitzt mit Laborkittel und Krawatte an seinem Schreibtisch und blättert in Notizen. Konzentriert und leicht vornübergebeugt gibt er sich unbeobachtet, als bemerke er nicht, fotografiert zu werden. Ein Wandkalender, dessen Datum leider nicht zu entziffern ist, wird flankiert von einer Empfehlung des Hauses, mit Hansa-Lecithin zu entspannen und – einer gerahmten Fotografie! Es handelt sich um das Motiv der Schiffschraube (Negativ Nr. 1042), das Hülsmann vergrößert, dunkel passepartouriert und gerahmt hat. Im Negativbestand ist dies das einzige fotografische Dokument dafür, dass Hülsmann ein eigenes Bild als Positiv produzierte. Umso bemerkenswerter, dass es sich dabei nicht um eine der zahlreichen Idyllen aus dem Alten Land oder ein Porträt von Ehefrau Gertrud handelte, sondern um ein nautisches Detail, das der fotografischen Bildsprache der Neuen Sachlichkeit und dem Empfinden einer „Schönheit der Technik“ verpflichtet ist.


Schnäppchenjägerin: Beim Londonaufenthalt im August 1933 lassen Hülsmanns die Gelegenheit nicht ungenutzt, auf einem der legendären Flohmärkte nach Schätzen für ihre wachsende Sammlung Ausschau zu halten. Aufgrund der Bewegungsunschärfe an der Hand von Gertrud Hülsmann ist zu vermuten, dass sie gerade noch auf etwas gezeigt hat. Das Sortiment des Händlers besteht u.a. aus eher zweitklassigen Bestecken, Teekannen, Kerzenständern, Küchenzubehör und einem Bündel klobiger Halsketten. Wahrscheinlich hat er der Deutschen gerade etwas zugerufen, denn sein Mund ist noch geöffnet und auch er hat mit dem Arm soeben eine Bewegung gemacht. Gegen die Sonne – Frau Hülsmann hat sich bereits ihrer Jacke entledigt – schützt er sich mit einem Regenschirm. Ob wohl ein Kauf zustande kam?


„Du bist schön von hinten“ sang die deutsch-französische Band Stereo Total 1997. An den jungen Herrn Hülsmann wird das Ensemble dabei sicher nicht gedacht haben, obwohl seiner Frau wirklich eine sehr attraktive Rückenansicht am Strand gelungen ist. Mit in den Nacken gelegtem Kopf trotzt der Wahlhamburger den Elementen, hier in Gestalt tosender Wellen. Zweifellos dürfte Gertrud Hülsmann Bilder von C.D. Friedrich vor dem inneren Auge gehabt haben, als sie den Auslöser betätigte. Der „Wanderer über dem Nebelmeer“, die „Frau vor der untergehenden Sonne“ oder Paare, die den Mond bestaunen – bei dem berühmtesten Maler der Romantik waren auch die meisten Figuren „schön von hinten“.


Eine von zwei Aufnahmen aus dem Kreuzgang der Westminster Abbey. Eine Englandreise im August 1933 führte die Hülsmanns u.a. nach London sowie nach Windsor Castle. Friedrich Hülsmann war kein Großstadtmensch; seine Abneigung etwa gegen die Metropole Berlin machte er bereits in Briefen an seine künftige Frau deutlich, als er 1927 für kurze Zeit beim Gewerkschaftsbund der Angestellten tätig war. Entsprechend sind auch aus London nur erstaunlich wenige und eher touristisch untypische Motive erhalten. Der schattige Kreuzgang dürfte ihm wie eine wohltuende Oase der Ruhe und des Innehaltens erschienen sein. Gelöst und entspannt sitzen auch die Besucherinnen und Besucher auf den jahrhundertealten Fensterbänken, als hätten sie den urbanen Trubel um sich herum für eine kleine Weile vergessen. Neben dem anekdotischen Blick auf zwei Freundinnen mit ganz ähnlichen Hüten, ein Mädchen, das versonnen vor sich hinblickt und eine Frau, die in eine Handarbeit vertieft ist, prägen vor allem die langen Schatten, die von den gotischen Spitzbögen auf den alten Steinboden geworfen werden, die Bilder. Hülsmann sind im Licht der späten Mittagssonne besonders schöne Zeichnungen und Schlaglichter gelungen.


Ein halbes dutzend Aufnahmen (Negativnummern 930–935) zeigt Friedrich Hülsmann, wie er eine historische Taschenuhr repariert. Ob er sich selbst porträtierte oder fotografiert wurde, ist nicht mehr zu entscheiden. Charakteristisch ist die Akribie, mit der er sich diesem minutiösen Vorgang widmet. Der spätere Antiquitätenhändler musste schließlich ein Experte für genaues Hinsehen sein.
Die Fotografie aus großer Nähe lässt gepflegte schlanke Finger und den ziselierten Partnerring zur Geltung kommen: in Ermangelung eines Adelswappens schmückten sich die Eheleute mit ihren Allianz-Initialen H(ülsmann) und S(chlüter), die in die Siegelplatte graviert wurden.


Sommerfreuden. An einem der deutschen Ostseestrände legt gerade das Segelboot Germania an. Was hier wie die fast intime Zweisamkeit junger Männer am Bug des Schiffes anmutet, fand tatsächlich unter großer Beachtung anderer Badegäste statt. Weitere Aufnahmen des Anlegemanövers zeigen, dass sich etliche Zuschauerinnen und Zuschauer am Pier eingefunden haben. Die Kleidung der Sportgestählten zeigt, daß der Badeanzug mit Trägern für Herren allmählich von der Badehose abgelöst wird.


ca. 1932 Blick in die Wohnung Possmoorweg (Foyer oder Eingangsbereich/Vorzimmer?) mit Backstein-Kamin und spätbarockem Sessel (Stoffbezug mit Fruchtdekor), darüber ein kleines Fenster mit moderner Bleiverglasung; auf dem Kaminsims Uhr aus der Zeit um 1800 und silberner Leuchter; darüber ein gerahmter Stich aus der Zeit um 1630 mit höfischer Szene. Im Wohnblock Possmoorweg gab es verschiedene Wohnungsgrößen und -ausstattungen; das Appartement der Hülsmanns mit Kamin und Parkett bot gehobenen Wohnkomfort.


Friedrich Hülsmann inszeniert seine Frau Gertrud im Stil einer historischen Aufnahme: die Gattin sitzt, gehüllt in einen fransenbesetzten Umhang, mit nach links geneigtem Profil in einem stoffbezogenen Lehnsessel des 18. Jahrhunderts. Das von rechts durch ein Fenster einfallende Sonnenlicht wirft einen Schatten des Kopfes von Frau Hülsmann auf die Wand. An der Wand eine kleine gerahmte, vermutlich niederländische Landschaft aus dem 17. oder 18. Jahrhundert sowie ein weiteres Bild oder ein Spiegel (wegen der starken Reflexion nicht zu erkennen) und ein mit Blumenmotiv bemalter Teller. Auf einem Tischchen mit gedrechseltem Fuß ein Bronzeleuchter und eine Schale.


Eine junge Fotografin, wahrscheinlich auch eine Amateurin, ist in die Knie gegangen, um ihre Balgenkamera auf dem Stativ auszurichten und gleich den Drahtauslöser zu betätigen: da die Linse auf die Mitte des Wegs weist, steht zu vermuten, daß die Fotografin ein auf sie zukommendes Gefährt oder eine herannahende Gruppe ins Visier genommen hat. Oder aber sie fotografiert hinter einem Fahrzeug her, das bereits eine deutliche Bewegungsspur auf dem Weg hinterlassen hat. Die für das Alte Land typischen Obstbäume zu beiden Seiten des kleinen Kanals stehen in voller Blütenpracht; der Bildkomposition liegt eine Diagonale von links unten nach rechts oben zugrunde, wie Hülsmann sie in vielen seiner Fotografien verwendete.


Selbstporträt als Schatten. Friedrich Hülsmann hält die eigene Silhouette fest, während er auf einer Leiter steht – die Aufnahme entsteht während der Vorbereitungen zur Errichtung des Hansa Mühle Pavillons. Der parallel zum Bildrand verlaufende Schatten der Leiter fällt auf einen aus Holzdielen geformten Boden, dessen Linien Diagonalen bilden. Um diese Dielen zu bedecken, wurde ein Streifen Teppich oder Kunstrasen ausgelegt, der noch nicht ganz ausgerollt ist. Darauf steht ein Mann in sichtlich beanspruchter Arbeitskleidung, sein Werkzeug – ein breiter Pinsel, ein großes Messer und ein Zollstock, sind zu seinen Füßen wie zu einem Stilleben arrangiert.
Anlässlich der landwirtschaftlichen Messe in Berlin verschoss Friedrich Hülsmann weit über 100 Negative – wohl nicht nur aus reiner Freude am Fotografieren, sondern auch um seine Arbeit als Reklamechef umfänglich abzubilden: dieser Druck könnte umso größer gewesen sein, als der Pavillon anscheinend nicht ganz rechtzeitig fertig geworden war, denn er trägt noch Elemente der Einrüstung, als die ersten Besuchermengen schon durch die Ausstellung strömen. Die starke Frequentierung – und nicht zuletzt den Erfolg der Werbung für die Hansa Mühle – dokumentierte Hülsmann dadurch, daß er überall auf dem Messegelände die Werbetaschen mit der Hansa-Schrot-Parole entdeckte und fotografierte.