

ca. 1932, Blick in das Wohnzimmer der Wohnung Possmoorweg mit antikem Mobiliar (wahrscheinlich gegenüberliegende Raumhälfte zu Negativ Nr. 0157), darunter der gleiche oder ein identisch aussehender Sessel des Spätbarock: auf diesem sitzend porträtierte Hülsmann auch seine Frau (Neg. Nr. 0062); eine kleine geschweifte Kommode, weitgehend verdeckt von einem neueren Flügel, der durch eine übergeworfene Brokatdecke geschützt wird; an der Wand kleinformatiges, wuchtig gerahmtes Stilleben; im Bildhintergrund, unterhalb des Fensters ein modernes Ruhemöbel, auf der Fensterbank eine fernöstliche Statuette (Buddha oder Ganesha).


Zwei Mädchen haben das Geländer einer "Landungsbrücke" erklommen, um von dort auf den Strand herabzuschauen; das größere, von der Sonne schon recht gebräunte, in einer vom Wind aufgeblähten Hose, hält sich an einem Mast fest; daneben mahnt ein Schild der "staatl. Kurverwaltung", dass "nach § 2 der Strandordnung … das Betreten der Landungsbrücke im Badeanzuge ohne umgelegten Bademantel verboten" sei. Offenbar versuchte man das Vordringen allzu loser Sitten oder gar einer Freikörperkultur, die sich seit der Lebensreform um 1900 wachsender Beliebtheit erfreute, einzudämmen.


Hülsmann zeigt sich von einem architektonischen Detail des Schlosses Sanssouci besonders fasziniert: vollplastische Sandsteinfiguren, deren Oberkörper in Pilaster münden, scheinen das Gesims der Nordfassade zu tragen oder zu stützen. Sogenannte Karyatiden (weiblich) und Atlanten (männlich) sind seit der griechischen Antike ein beliebtes Motiv, in der Verbindung von menschlichem Körper und Säule. Bei den Potsdamer Exemplaren handelt es sich um Begleiterinnen und Begleiter des Weingottes Bacchus, die eher ausgelassen wirken, als dass sie unter ihrer Last zu ächzen scheinen: umgeben von den Attributen des belebenden Rausches verkörpern sie Sorglosigkeit in Reinkultur. Hülsmann fotografiert sie von verschiedenen Standpunkten aus und nutzt die Wirkung des späten Mittagslichts.


Karyatiden und Atlanten stützen das Gesims von Schloß Sanssoucis, von dessen vergoldeter Inschrift hier ein Teil zu sehen ist. Im späten Mittagslicht treten Reben und andere Attribute der Feierfreude vollplastisch an den Pilastern hervor, in denen die Oberkörper der Figuren münden. Hülsmann schuf eine ganze Serie dieser Gebälkträger:innen, indem er einmal die gewölbte Fassade des Schlosses abschritt.


Eine weitere Aufnahme aus der Reihe rund um die Errichtung des Hansa-Mühlen-Pavillons in Berlin (vgl. Negative Nr. 922 und 946) – nun vom gegenüberliegenden Blickwinkel aus: man sieht über die Holzdielen hinweg auf die Leiter, auf der in der Aufnahme Nr. 922 Friedrich Hülsmann stand. Am Boden kauert auf allen Vieren ein Mann, der mit einem Winkelmaß arbeitet. Das völlig unaufgeäumte Gelände rund um die Baustelle lässt erkennen, dass noch viel zu tun ist...


Das doppelte Lottchen hat geheiratet. Zwei junge Frauen stehen in auffällig ähnlichen hellen Kleidern und mit modischen Hütchen neben zwei eleganten Herren. Die vergnügte Vierergruppe wirkt wie zwei Brautpaare, die sich nach dem Gang zum Standesamt noch auf dem Pier eingefunden haben. Rechts von ihnen lehnt sich eine Frau im gestreiften Strandanzug an die Brüstung, ihr Haar wird verwegen vom Wind gepeitscht – am Sommerhimmel ziehen bereits dräuende Wolken auf. Vom linken Ende des Piers her naht ein älteres Ehepaar, das für einen Strandbesuch viel zu förmlich (und zu wenig sommerlich) gekleidet ist. Die Aufnahme von einem der deutschen Ostseestrände weist Friedrich Hülsmann einmal mehr als genialen Beobachter sozialer Konstellationen und als Experten für anknüpfungsreiche "Schnappschüsse" aus.


Zwei Besucher einer landwirtschaftlichen Messe in Berlin, wahrscheinlich Mai 1933. Friedrich Hülsmann hat sich - vermutlich völlig unbemerkt – auf die Fersen von zwei Männern geheftet, die sich über das Messegelände treiben lassen und offenbar hier und da Informationen einsammeln. Vom Stand der Hansa Mühle, dessen Aufbau Hülsmann in vielen Fotografien dokumentiert, haben sie Umhängetaschen aus bedrucktem Stoff mitgenommen. Der aufgedruckte Werbeslogan "füttert Soja Schrot Vita" bildet annähernd die Mitte der Aufnahme und den Focus der Scharfstellung. Mit ihren Hüten und den mäßig sitzenden Straßenanzügen wirken die beiden Männer ähnlich unkomfortabel und wesensfremd gekleidet wie die drei Westerwälder Jungbauern im Sonntagsstaat, die August Sander 1914 fotografiert und 1929 in sein Buch "Antlitz der Zeit" aufgenommen hatte. Dass Hülsmann die beiden im Moment ihrer Isolation von den übrigen Messebesucher ablichtete, verstärkt den Eindruck der Verlorenheit: vielleicht werden die Männer froh sein, der Großstadt bald wieder den Rücken kehren zu können…


Gertrud Hülsmann im Halbprofil an einer Küste, wahrscheinlich Sommer 1933 oder 1934. Hülsmann „erwischt“ seine Frau in einem nachdenklichen, fast skeptischen Augenblick. Vielleicht fröstelt sie auch nur, denn der linke Oberarm zeigt eine leichte Gänsehaut, und sie sollte die unter den Arm geklemmte karierte Wolljacke wieder anziehen. Das vom Wind leicht ins Gesicht gewehte Haar ist wie das eines Mannes kurz geschnitten, eine Mode, die bereits in den 1920er jahren populär war und einen Kontrast zum "fraulichen" Idealtypus einer Reichsdeutschen während der NS-Zeit bietet.


„Du bist schön von hinten“ sang die deutsch-französische Band Stereo Total 1997. An den jungen Herrn Hülsmann wird das Ensemble dabei sicher nicht gedacht haben, obwohl seiner Frau wirklich eine sehr attraktive Rückenansicht am Strand gelungen ist. Mit in den Nacken gelegtem Kopf trotzt der Wahlhamburger den Elementen, hier in Gestalt tosender Wellen. Zweifellos dürfte Gertrud Hülsmann Bilder von C.D. Friedrich vor dem inneren Auge gehabt haben, als sie den Auslöser betätigte. Der „Wanderer über dem Nebelmeer“, die „Frau vor der untergehenden Sonne“ oder Paare, die den Mond bestaunen – bei dem berühmtesten Maler der Romantik waren auch die meisten Figuren „schön von hinten“.


Fensterbank mit Blumenvase: ein beliebtes Sujet für Amateurfotograf:innen, die Lichtspiel und Reflexionen auf spiegelnden Oberflächen erkunden können sowie die Wechselwirkung von Schärfe und Tiefenunschärfe. Hierzu arrangiert Friedrich Hülsmann in einem einfachen Wasserglas üppig gefüllte Pfingstrosen, auf die er den Focus setzt, während die Fernsicht aus dem Fenster völlig verschwimmt. Er folgt den Empfehlungen Wolf Dörings, der bei Aufnahmen im Freien zu bedenken gibt, dass "die Blumen oft unmerklich schwanken. [...] Weit einfacher ist es, Blumen im Zimmer und am Fenster mit der Kamera dazustellen. Da wird es bei dem vorhandenen Gegenlicht meist unerlässlich sein, mit einer Kunstlichtquelle vom Zimmer her aufzuhellen". Wie es aussieht, konnte Hülsmann dank herrlichem Sonnenschein darauf verzichten.


Gertrud Hülsmann und ein Freund ihres Mannes waten selbstvergessen in hochgeschürzter Kleidung durch einen Flusslauf, wahrscheinlich im Alten Land. Die Aufnahme berührt durch die geschwisterliche Vertrautheit der beiden Dargestellten und die sommerliche Entspanntheit der unaufgeregten Landschaft. Die Sonne zeichnet feine Lichtspiele auf der Wasseroberfläche.


Korngarben. Wahrscheinlich im Alten Land fotografierte Friedrich Hülsmann die abgeernteten und gebündelten Getreidehalme. Die Garbe gehörte schon im Mittelalter zu den Malerei-Motiven jahreszeitlicher Aufgaben, etwa in Stundenbüchern oder Kalendarien. Über die Genremalerei des 16. und 17. Jahrhunderts reicht die Ikonographie bis zum frühen Expressionismus: von Vincent van Gogh existieren mehrere Gemälde rund um die Weizenernte, und auch Max Pechstein wählte 1923 die "Kornhocke" als Bildgegenstand. Kulturgetreide stellen, zu Mehl verarbeitet und zu Brot verbacken, seit über 10.000 Jahren ein Grundnahrungsmittel sesshafter Menschheit dar.


Blick in die Rotunde des Ausstellungspavillons. Der als kastenförmiger Zentralbau mit Stufendach konzipierte Werbepavillon der Hansa Mühle wird durch eine gewölbte, mit dunklem Tuch bespannte Holzwand hinterfangen, von der aus vier Fahnenstangen in die Höhe ragen. Hülsmann fotografierte mehrfach aus dramatischer Perspektive in die Wölbung hinein und meist so, dass die vierte Fahne mit dem Hakenkreuz (die anderen zeigen die Reichsfarben, das Wappen der Stadt Hamburg und das Emblem der Hansa Mühle) NICHT zu sehen ist. So bleibt der Himmel über Berlin politisch sauber. Lediglich auf dem Negativ mit der Nr. 788 ist das NS-Symbol deutlich zu erkennen.


Kaffeepause. Extreme Aufsicht und steile Diagonale gehören zu den Kompositionsmerkmalen des Neuen Sehens, das als fotografische Praxis in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre seinen Höhepunkt hatte.
Die kleine Auszeit wirkt improvisiert, spontan, und ein bißchen so, als seien Tische und Stühle gerade erst ins Freie geschleppt worden: Jacken und Taschen wurden "mal eben" abgeworfen; der hintere Tisch weist mehr Gedecke als Sitzende auf; wahrscheinlich haben die beiden jungen Mädchen, die es sich bäuchlings auf zwei Liegen bequem gemacht haben, gerade noch den Älteren Gesellschaft geleistet, bis es ihnen zu langweilig wurde. Der Ort der Aufnahme konnte bisher nicht identifiziert werden. Auf den Varianten mit den Negativnummern 4051 und 4053 sieht man, dass weitere Liegen direkt am Rand einer ungemähten Wiese stehen, die sich an einen Wald schließt.


Unbekannte/r Fotograf/in, Friedrich Hülsmann in seinem Büro der Hansa Mühle AG, ca. 1934. Hülsmann sitzt mit Laborkittel und Krawatte an seinem Schreibtisch und blättert in Notizen. Konzentriert und leicht vornübergebeugt gibt er sich unbeobachtet, als bemerke er nicht, fotografiert zu werden. Ein Wandkalender, dessen Datum leider nicht zu entziffern ist, wird flankiert von einer Empfehlung des Hauses, mit Hansa-Lecithin zu entspannen und – einer gerahmten Fotografie! Es handelt sich um das Motiv der Schiffschraube (Negativ Nr. 1042), das Hülsmann vergrößert, dunkel passepartouriert und gerahmt hat. Im Negativbestand ist dies das einzige fotografische Dokument dafür, dass Hülsmann ein eigenes Bild als Positiv produzierte. Umso bemerkenswerter, dass es sich dabei nicht um eine der zahlreichen Idyllen aus dem Alten Land oder ein Porträt von Ehefrau Gertrud handelte, sondern um ein nautisches Detail, das der fotografischen Bildsprache der Neuen Sachlichkeit und dem Empfinden einer „Schönheit der Technik“ verpflichtet ist.