

(ca. 1937) Das im 18. und 19. Jahrhundert mehrfach umgebaute Schloss zu Eutin diente den Großherzögen von Oldenburg bis 1918 als Sommerresidenz und wurde seither nicht mehr regelmäßig bewohnt. Hülsmann fotografiert die "Gartenfassade" des Südflügels wahrscheinlich von der Brücke aus, die über den Schlossgraben führt. Die klassische Komposition mit rahmendem Buschwerk und dem leicht aus der Mittelachse verschobenen, efeubewachsenen Turm wirkt ausgesprochen malerisch. Weitere Aufnahmen aus Eutin zeigen u.a. einen Ritt des 1918 abgedankten Großherzogs Nikolaus (1897-1970), einem Mitglied der NSDAP und SA-Standartenführer, begleitet von seinem ältesten Sohn Anton Günther (1923-2014).


Friedrich Hülsmann hat den großen Schreibtisch in seinem Hamburger Büro erklommen und lichtet das geordnete Chaos zu seinen Füßen ab: Stifte, Pinsel, Scherben, Klebstoffe, Papierproben und Folienmuster (u.a. von der renommierten Esslinger Firma Langheck & Co) sind das Material des Werbegestalters. Woran er wohl gerade arbeitet? Ein fotografischer Abzug verrät es: er zeigt das Gesicht einer rufenden jungen Frau, das Hülsmann für die Konzeption eines Messestandes verwendete.


Unbekannte/r Fotograf/in (wahrscheinlich Gertrud Hülsmann), ein windiger Sommertag, ca. 1933. Das an einem Urlaubstag aufgenommene Porträt zeigt Friedrich Hülsmann in kniekurzen Hosen und mit von einer stärkeren Bö geblähtem Hemd. Das Haar ist zerzaust, die Augen sind – wohl wegen der blendenen Sonne – leicht zusammengekniffen. Umso intimer erscheint die Verbindung zwischen dem Fotografierten und der (mutmaßlichen) Fotografin, seiner Frau: die beiden sehen einander an, ein Blick, der durch das Objektiv der Kamera zum Bild wird. Und zum Dokument einer innigen Zuneigung, wie sie nicht nur in den ersten Ehejahren immer wieder sichtbar wurde.


Gänseschar, ca. 1935. Wahrscheinlich außerhalb Hamburgs fotografiert Friedrich Hülsmann Gänse und Puten eines Geflügelhofs. Einige der Tiere mustern interessiert den Fotografen, dem es – ähnlich wie bei Kindern – immer wieder gelang, das Vertrauen seiner lebenden Motive zu gewinnen und sich ihnen nähern zu können, ohne sie zu verscheuchen oder aufzuschrecken. Im Hintergrund versammelt ein Mehrparteienhaus potentielle Abnehmer:innen für das Geflügel. Eine moderne Funktionsarchitektur und das Ende eines Gleises könnten darauf hindeuten, daß dieses Viertel sich erst am Beginn seiner infrastrukturellen Erschließung befindet.


Haus der Schlosser-Meisters Otto Königshagen in Buxtehude.
"Gusseiserne Nasenschilder finde ich total interessant." Vermutlich kein Satz, mit dem man heutzutage auf Parties punkten könnte. Ob Friedrich Hülsmanns Fotosammlung verschiedenster schnörkeliger Handwerksarbeiten wohl damals für Begeisterung sorgte? Oder war es schon zu seiner Zeit eine eher außergewöhnliche Faszination?
Auf dem Bild sehen wir die Schlosserei von Otto Königshagen in Buxtehude mit einem geschwungenen Laden- bzw. Werbeausleger über der Tür. Besonders auf den Reisen durch deutsche Städte dokumentierte Friedrich Hülsmann etliche dieser eindrucksvollen Schmiedearbeiten. (Text: Marleen Bönhoff)
Das Haus, das damals die Nummer 163 trug, steht heute noch in der Moortorstraße – inzwischen mit der Nummer 8.


Eine Obstbäuerin bereitet die Ernte zum Weitertransport vor: die Frau im ärmellosen Kleid mit Schürze schleppt an einem Schulterjoch vier prallgefüllte Körbe mit Kirschen an den Steg, wo bereits etliche weitere Körbe, bewacht von einem blonden Jungen in kurzer Hose, auf das Verladen warten. Demnächst wird ein Kahn auf dem begradigten Flusslauf (vielleicht die Schwinge oder der Kruken) herbeigefahren kommen, um die süße Fracht einzusammeln. Bemerkenswert ist die altertümliche Tragehilfe, mit der die Arbeit der Bäuerin besonders beschwerlich, allerdings auch sehr malerisch aussieht.


Korngarben. Wahrscheinlich im Alten Land fotografierte Friedrich Hülsmann die abgeernteten und gebündelten Getreidehalme. Die Garbe gehörte schon im Mittelalter zu den Malerei-Motiven jahreszeitlicher Aufgaben, etwa in Stundenbüchern oder Kalendarien. Über die Genremalerei des 16. und 17. Jahrhunderts reicht die Ikonographie bis zum frühen Expressionismus: von Vincent van Gogh existieren mehrere Gemälde rund um die Weizenernte, und auch Max Pechstein wählte 1923 die "Kornhocke" als Bildgegenstand. Kulturgetreide stellen, zu Mehl verarbeitet und zu Brot verbacken, seit über 10.000 Jahren ein Grundnahrungsmittel sesshafter Menschheit dar.


Schöne Bescherung
Auf einem Teppich haben Hülsmanns ihre Weihnachtsgaben liebevoll und sorgfältig wie in einem Schaufenster ausgebreitet und mit etlichen Kerzen und Tannenzweigen garniert. Im Vordergrund ist eine Radierung (oder deren Reproduktion) zu erkennen, die Maria mit dem Christkind im Wald zeigt, vielleicht eine „Ruhe auf der Flucht“. Weiterhin sind ein Buch und eine Kette zu erkennen, die bereits aus ihrer Schachtel entnommen wurde. In der Mitte prangt auf einem flachen Metallteller ein Kuchen mit vier Kerzen – ein essbarer Adventskranz? Am hinteren Rand des Teppichs sind vier unterschiedliche Kerzenleuchter aus Silber aufgestellt, wie sie später einen Sammlungsschwerpunkt der Hülsmanns darstellten, dazwischen zwei Schallplatten der Marke Electrola mit weihnachtlicher Hülle sowie eine große Vase mit Tannenzweigen und Weihnachtsschmuck. Auf der Fensterbank Kerzen und Kunstpostkarten; außer religiösen Motiven (z.B. Renaissance-Reliefs mit Engelsdarstellungen) sehen wir weltliche Portraits aus der Zeit um 1500.
Das Ensemble bildet eine interessante Alternative zum typisch deutschen Weihnachtsbaum mit Päckchenpyramide.


Kälbchen, ca. 1935. Im Alten Land mit seinen fruchtbaren Obstbäumen und Wiesen fand Friedrich Hülsmann eine weitgehend vorindustrielle Landwirtschaft im "Einklang mit der Natur" vor. Die dort tätigen Menschen arbeiteten noch wie vor hundert Jahren fast ohne Einsatz von Maschinen, Nutztiere lebten mehr oder weniger artgerecht mit Auslauf und in symbiotischer Nähe zu Bauernfamilien. Entsprechend gelangen Hülsmann verschiedene "charaktervolle" Tierporträts: sie erscheinen wie beseelte Geschöpfe mit eigener Daseinsberechtigung. Das in der Mittagssonne ruhende Kalb hält direkten Blickkontakt mit dem Fotografen und hat die Ohren aufmerksam aufgestellt.


Englandreise August 1933, gotische Ruine, bisher nicht identifiziert. Vermutlich reisten Hülsmanns von London aus mit einem Schiff auf der Themse entlang mindestens bis Windsor Castle in westliche Richtung. Auf dieser Strecke dürfte die malerische Ruine einer Abbey oder Priory (in Verbindung mit einem frühgotischen, noch intakten Kirchlein) liegen.


Die Waagegasse, die sich Besucher:innen Erfurts noch heute fast unverändert präsentiert, fotografierte Friedrich Hülsmann gleich mehrfach und von verschiedenen Standpunkten aus. Zwischen den Fachwerkhäusern des 16. Und 17. Jahrhunderts spielte sich ursprünglich der Transport von Waren ab, die in den Speichern gelagert wurden.
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In Hülsmanns Aufnahme scheinen sich die Fassaden der Häuser stürzend zu neigen und erinnern an die Kulissen des expressionistischen Stummfilms "Das Cabinet des Dr. Caligari"
https://kultur24-berlin.de/wp-content/uploads/2018/01/Das-Cabinet-des-Dr-Caligari-4-900.jpg


Pferdefamilie, wahrscheinlich um 1935 im Alten Land aufgenommen. Hülsmann fängt den intimen Augenblick ein, in dem zwei Füllen einander beriechen, ihre Körper sind fast symmetrisch und wie zu einer Skulptur "angeordnet", ein älteres Pferd, vielleicht die Mutterstute, schaut von links ins Bild. Der niedrig gewählte Horizont lässt Platz für sommerliche Wolkengebilde. Eine ähnliche Komposition der Tierkörper findet sich in Albert Renger-Patzschs Buch, "die Welt ist schön", das 1928 erschien und von Thomas Mann in der Berliner Illustrirten Zeitung positiv rezensiert wurde. Hülsmann könnte als eifriger Leser dieser Zeitung auch die Besprechung entdeckt und sich das Buch gekauft haben, denn auch weitere Motive weisen Ähnlichkeit mit Bildfindungen des berühmten Fotografen auf.


Wer hier an texanische Ölbarone denkt, wird vielleicht überrascht feststellen, dass auch in der deutschen Provinz beachtliche Mengen des schwarzen Goldes gefördert wurden. U.a. in Wietze am südlichen Ausläufer der Lüneburger Heide. Hier könnte die Aufnahme entstanden sein, auf der sich endlose Reihen von standardisierten Fässern bis zu den Bildrändern erstrecken. Die in ihrer Serialität leicht abstrahierte Struktur markiert fotografisches Bildschaffen am Übergang vom "Neuen Sehen" zur "Neuen Sachlichkeit".


ca. 1932, Blick aus dem Fenster einer Wohnung. Wahrscheinlich handelt es sich nicht um die Wohnung der Hülsmanns, denn das Grundstück gegenüber dem Possmoorweg 61 beherbergte eine Kleingartensiedlung.


Hülsmann zeigt sich von einem architektonischen Detail des Schlosses Sanssouci besonders fasziniert: vollplastische Sandsteinfiguren, deren Oberkörper in Pilaster münden, scheinen das Gesims der Nordfassade zu tragen oder zu stützen. Sogenannte Karyatiden (weiblich) und Atlanten (männlich) sind seit der griechischen Antike ein beliebtes Motiv, in der Verbindung von menschlichem Körper und Säule. Bei den Potsdamer Exemplaren handelt es sich um Begleiterinnen und Begleiter des Weingottes Bacchus, die eher ausgelassen wirken, als dass sie unter ihrer Last zu ächzen scheinen: umgeben von den Attributen des belebenden Rausches verkörpern sie Sorglosigkeit in Reinkultur. Hülsmann fotografiert sie von verschiedenen Standpunkten aus und nutzt die Wirkung des späten Mittagslichts.


Karyatiden und Atlanten stützen das Gesims von Schloß Sanssoucis, von dessen vergoldeter Inschrift hier ein Teil zu sehen ist. Im späten Mittagslicht treten Reben und andere Attribute der Feierfreude vollplastisch an den Pilastern hervor, in denen die Oberkörper der Figuren münden. Hülsmann schuf eine ganze Serie dieser Gebälkträger:innen, indem er einmal die gewölbte Fassade des Schlosses abschritt.